Dorf- und Geschichtsverein Essenheim

Die Nationalsozialisten in Essenheim

Von den Anfängen bis 1933

Referent Markus Würz und Vereinsvorsitzender Stefan Mossel
[Bild: Harald Nowak]

Vortrag am 24. September 2010 in Essenheim, Haus St. Martin

Auch 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beschäftigt die Auseinander-setzung mit dem National-sozialismus nicht nur die Historiker, sondern weite Teile der interessierten Öffentlichkeit. Vor allem die Frage, wie die Nationalsozialisten sich durchsetzen und die Weimarer Republik zerstören konnten, wird diskutiert.

Markus Würz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zeitgeschichte des Historischen Seminars der Universität Mainz, beschäftigte sich in seiner Doktorarbeit ausführlich mit den Anfängen des Nationalsozialismus in Rheinhessen.

Auf Einladung des Dorf- und Geschichtsvereins gab er in seinem Vortrag Einblicke in Entstehung und Entwicklung des Nationalsozialismus in unserer Region. Am Beispiel von Essenheim verdeutlichte er, wie sich die NSDAP in einer Gemeinde etablierte und durchsetzte.

Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand die Entwicklung der Essenheimer Ortsgruppe der NSDAP bis zum Ende der Weimarer Republik, in der so genannten "Kampfzeit" der NS-Bewegung. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 erzielte die NSDAP in Essenheim 91 %, womit die Gemeinde zu den Hochburgen der Partei in Rheinhessen gehörte.

Entscheidend für den Aufstieg der NSDAP war die schwierige wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft in der linksrheinischen Region, die durch die französische Besetzung des Rheinlandes vom Rest des Reichsgebietes abgeschnitten war. Seit etwa 1928 versuchte die Hitler-Partei mit gezielter Propaganda die Bauern für sich zu gewinnen. Im Laufe der nächsten Jahre gelang ihr die Infiltration des bäuerlichen Lobbyverbandes, der Freien Rheinhessischen Bauernschaft, da im zunehmenden Maße Verbandsmitglieder der NSDAP beitraten. Diese Hintergründe spielten nach Ansicht von Markus Würz bei der Durchsetzung der NSDAP in Essenheim eine wichtige Rolle.

Im April 1929 hatte sich im Nachbarort Stadecken eine der ersten ländlichen Ortsgruppen im nördlichen Rheinhessen gegründet. Ihr gelang es Anfang 1930 eine Parteiversammlung in Essenheim zu organisieren, an der mehr als 50 örtliche Landwirte teilnahmen. Im März wurde eine eigene Essenheimer Ortsgruppe unter Führung des Landwirts Wilhelm Ludwig Wolf gegründet. Dank intensiver Werbung und Propaganda errang die NSDAP bei der Reichstagswahl im September bereits 27,5 % der Wählerstimmen, 9 % mehr als im Reichsdurchschnitt.

Die Essenheimer Ortsgruppe wurde eine der aktivsten der Region. Bei den regelmäßig durchgeführten Versammlungen im Dorf nahmen bis zu 300 Personen teil. Der Essenheimer SA-Sturm organisierte Propagandamärsche in die umliegenden Gemeinde um für die Bewegung zu werben.

Die Wahlergebnisse in Essenheim zeigen, dass es der NSDAP zum einen gelang, die Wähler zu gewinnen, die früher ihre Stimmen den bäuerlichen Protestparteien gaben, zum anderen die Nichtwähler zu mobilisieren. Die Gewinnung der dörflichen Meinungsführer für die NS-Bewegung hält Markus Würz für einen entscheidenden Faktor für die zunehmenden Wahlerfolge. Bei den Bürgermeister- und Beigeordnetenwahlen 1932 unterstützte die NSDAP mit Friedrich Wilhelm Schott und Adam Mossel V. die Kandidaten der Bauernschaft.

Mit der Übernahme der Ortsgruppenleitung durch Karl Wolf III. 1931 wurden die politischen Auseinandersetzungen schärfer. Die SA zerschlug SPD-Versammlungen und postierte sich vor jüdischen Geschäften. Bei der Bürgermeisterwahl 1932 kam es zu massiven Einschüchterungen der Wähler. Gezielt setzte sich die Partei über staatliche Verbote, politische Abzeichen oder Uniformen in der Öffentlichkeit zu tragen, hinweg. Nach der Amtseinführung des neuen Beigeordneten im Dezember 1932 wurden SPD-Mitglieder durch SA-Männer verprügelt. 

Seit dem Frühjahr 1932 hatten sich die Machtverhältnisse im Gemeinderat durch die Zusammenarbeit von NSDAP und Freier Bauernschaft derart verschoben, dass der Rat mit 11 zu 3 Stimmen beschließen konnte, Adolf Hitler die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde zu verleihen.

Blick ins Publikum

Markus Würz bilanziert: Innerhalb von drei Jahren, zwischen Anfang 1930 und Anfang 1933, hatte sich in Essenheim eine aktive und engagierte Ortsgruppe etabliert, die fest in der Gemeinde verankert war und auf eine kräftige Unterstützung von einem Großteil der Bevölkerung bauen konnte. Gleichzeitig waren die Essenheimer Parteigenossen führend an der Ausbreitung der Partei im nördlichen Rheinhessen beteiligt.

Im Anschluss an den Vortrag ergab sich eine lebhafte Diskussion zwischen den etwa 70 Zuhörern und dem Referenten.

 

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